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Elternsein allgemein- Ziele, Vorstellungen, Ideale, Ent-täuschungen

  • Autorenbild: Dr. Jutta Weber
    Dr. Jutta Weber
  • 28. Mai 2022
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Mai 2022

Mit Kindern zu leben ist spannend.

Die meisten Eltern, vor allem wenn sie bewusst und gewollt Eltern werden, verknüpfen das Elternsein mit einer Reihe von Idealen: das Kind soll das eigene Leben aufwerten und bereichern, ihm einen Sinn geben, man will mit dem geliebten Partner eine Familie gründen, die Geborgenheit und ein zu Hause bietet und gemeinsam ein Kind aufziehen, dem man Liebe und Zuwendung bietet und das daher zufrieden, glücklich und erfolgreich sein sollte.

Auch, wenn wir diese Ziele nicht genauso ausformulieren, ist für uns die Zukunft unserer Kinder mehr oder weniger bewusst an diese oder ähnliche Erwartungen geknüpft.

Einige von ihnen werden sich sicher erfüllen. Die meisten Kinder werden zu gut in die Welt integrierten und zufriedenen Erwachsenen und zumindest im Rückblick hat die meisten Eltern das Leben mit ihren Kinder zufrieden gemacht, aber der ein oder andere der anfänglichen Wünsche wird sich im Laufe des Familienlebens relativieren- und das ist gut so.

Neben aller Idealisierung und Zielsetzung ist es auch wichtig, was sich unerwartet aus bestimmten Lebenssituationen ergibt und wie innerhalb dieser Situationen das Familiengefüge und jede Person dieses Gefüges agiert. Man sollte im Laufe der Zeit immer wieder versuchen, das unter den gegebenen Umständen Mögliche umzusetzen bzw. anzustreben, mit der Bereitschaft sich den jeweiligen Lebensbedingungen flexibel anzupassen.

Es ist ein großes Abenteuer voller Überraschungen. Die Grundvoraussetzung dafür, dieses Abenteuer zu genießen ist es, die eigenen Kinder mit ihrer ganz eigenen Persönlichkeit zu erkennen und anzunehmen und sich bewusst auf das einzulassen, was die unterschiedlichen Lebensphasen und das gemeinsame Leben mit sich bringen.

Beziehungen im Allgemeinen sind bereichernd, sind aber auch immer eine Aufgabe und erfordern den Wunsch, das Gegenüber zu verstehen, Probleme zu erkennen und zu lösen und sich gemeinsam zu entwickeln.

Die Beziehung zum eigenen Kind ist eine ganz besondere:

Als Eltern tragen wir die Verantwortung für die verschiedensten Bereiche: sowohl die körperliche als auch die geistige und emotionale Entwicklung unserer Kinder liegen uns am Herzen. Mit unserem Handeln, Denken und Reden versuchen wir, diese bestmöglich zu unterstützen.


Neben all dem, was das Leben durch Kinder an Bereicherung bringt und zu unserer eigenen Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, wirft es tagtäglich Fragen auf, gibt es viele Verunsicherungen, Hilflosigkeit.

Gefühle, die man zu Anfang nie mit dem eigenen Kind in Verbindung gebracht hätte, wie Verzweiflung, Wut, Angst, Müdigkeit, treten auf und bringen uns teilweise an unsere Grenzen.

Dabei ist es ein tiefer und inniger Wunsch, harmonisch und ausgeglichen mit den eigenen Kindern zu leben, sie zu begleiten und sie irgendwann als selbstbewusste Menschen ins Leben zu entlassen. Sie sollen eigene Ziele, einen autonomen Willen haben und sich zu ihnen auf den Weg machen, Beziehungen führen können und sich gleichzeitig als Individuum und als Teil einer Gesellschaft erleben. Wir möchten in gutem Kontakt mit ihnen sein und bleiben, sie verstehen und in gewisser Weise von ihnen verstanden werden.

Das alles ist nicht wenig. Lange schon streiten sich die Gelehrten, wie viel der Persönlichkeit angeboren und wie viel erworben ist. In jedem Fall hat das Umfeld in dem ein Kind aufwächst, die Art der Beziehungen in seiner Ursprungsfamilie und der Begleitung seines Aufwachsens einen großen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung.

Neben individuellen Unterschieden in der sogenannten Erziehung unserer Kinder, ist diese stark dem Zeitgeist unterworfen. Weder die lange praktizierte autoritäre Erziehung, in der vom Kind ohne Erklärung von Seiten der Eltern gehorsam und vor allem das Einhalten moralischer Normen gefordert und Widerspruch bzw. Zuwiderhandlung, mit Sanktionen, z.B. Schlägen geahndet wurde, noch die antiautoritäre Erziehung, also das komplett freie, selbstbestimmte Aufwachsen mit Ablehnung jeder Art von Grenzsetzung, scheinen Wege zu sein, die das Kind auf das vorbereiten, was es benötigt, um sich in unserer Gesellschaft zurecht zu finden und ein zufriedenes Leben zu führen.

Vereinfacht dargestellt unterbindet starke Autorität unter anderem die Umsetzung eigener Wünsche, was im schlimmsten Falle dazu führen kann, dass man keine eigenen Wünsche mehr spürt, nicht, länger weiß, was man will und vor allem auch nicht, was man nicht will. Man sucht auch als Erwachsener andere, die die Autorität der Eltern weiterleben, das eigene Handeln bestimmen.

Ganz selbstbestimmtes Aufwachsen wiederum kann vom Kind als nicht behütend empfunden werden, es wird nicht begrenzt, nicht beschützt, es kann nicht von den Erfahrungen seiner Eltern profitieren, was dazu führen kann, dass es sich im Leben haltlos und mit dem eingewöhnen in Strukturen wie Schule oder Arbeitsleben überfordert fühlt.

Was aus unseren Kindern werden soll ist sehr von den kulturellen und gesellschaftlichen Strukturen und dem Zeitgeist abhängig und daher einem ständigen Wandel unterworfen.

Wir leben in einer Zeit, in der das Leben von unseren Kindern in den westlichen Kulturen ein hohes Maß an Flexibilität und Individualität und gleichzeitig Zielstrebigkeit, bzw. Zielsetzungen erfordert. Der Beruf des Vaters ist nicht mehr selbstverständlich der Beruf des Sohnes, der Ort an dem man aufgewachsen ist, bleibt selten für das gesamte Leben Lebensmittelpunkt. In allen Lebensbereichen bringt heutzutage Kreativität ein höheres Maß an Zufriedenheit. Daneben sind wir im Arbeitsleben zwar oft Teil eines Teams, aber dennoch sind individuelle Ideen, Neigungen und Fähigkeiten gefragt.

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Mehr als je zuvor im Leben der jetzigen Familien haben die letzten drei Jahre die gewohnten, vertrauten Strukturen komplett ausgehebelt. Arbeit und Schule wurden nach hause verlegt, soziale Kontakte wurden auf ein Minimum, häufig ausschließlich auf die Familie begrenzt. Die Welt schien aus den Fugen geraten zu sein.

Unsere Kinder sind flexibel und kreativ, brauchen aber von uns eine gewisse Sicherheit und Souveränität, um sich selbst nicht verloren zu fühlen im momentanen Chaos.

Im Wesentlichen geht es darum, unseren Kindern ihren Glauben an ihre Selbstwirksamkeit, ihre Motivation voranzuschreiten, ihre Kreativität zu erhalten.

Dies ist der wesentliche Ansatz dieses Blogs: wir schaffen in der Erziehung keine Wesen nach unseren Vorstellungen, sondern unsere Aufgabe ist es, unsere Kinder mit so viel Raum aufwachsen zu lassen, dass wir von dem unendlich reichen Rüstzeug , dass sie bei gutem Nährboden entwickeln, so viel wie möglich ausprobieren und ausleben dürfen, um sich so zu willensstarken, kreativen, selbstbewussten, sozialen Menschen zu entwickeln.

Es geht als nicht darum, vorrangig Defizite zu entdecken und zu beseitigen, sondern die vielfältigen Möglichkeiten und Fähigkeiten unserer Kinder zu erkennen und wertzuschätzen. Es ist begeisternd mit welchem Ehrgeiz zum Beispiel Zweijährige alles alleine versuchen wollen, obwohl alle um sie herum die Dinge besser und schneller erledigen können. Erwachsene, meist auch schon ältere Kinder würden sich von der Tatsache, dass sie die am wenigsten trainierten Fähigkeiten in ihrem Umfeld haben maximal entmutigen lassen.

Die Kindheit und Jugend hat unter anderem das Ziel, Kinder sich ihrer selbst und ihrer Wünsche bewusst zu machen, sie also selbstsicher, selbst- bewusst, aufwachsen zu lassen. Selbstbewusste Menschen sind wenig kränkbar, offen für tiefe Beziehungen, deutlich mehr dazu bereit, sich für andere einzusetzen, da sie nicht in dem Gefühl feststecken, zu wenig bekommen zu haben, sich nicht defizitär fühlen.

Diejenigen Kinder, die als tyrannisierende, wenig anpassungsstarke Schüler auffallen, sind demnach nicht, wie oft vermutet, viel zu selbstbewusst, sondern, ganz im Gegenteil, selbstunsicher. Sie brauchen eine Bühne, um sich gesehen und wahrgenommen zu fühlen.

Die Persönlichkeit unserer Kinder soll unangetastet bleiben. Wir müssen uns bemühen, sie in ihrer Individualität zu erkennen und sie sich mit Unterstützung entfalten zu lassen.

Dazu brauchen Kinder auch Begrenzungen, die ihnen Sicherheit geben und die sie schützen. Das Kind ist Teil eines Familiengefüges (heute auch oft teil mehrerer Familiengefüge), und es will sich als sinnvoller respektierter Teil seiner Familie empfinden. Das Wohl bzw. Wohlbefinden aller ist ein ebenso wichtiges Ziel, wie die freie Entwicklung der einzelnen Familienmitglieder.

Begriffe wie Ethik, Moral, Wertvorstellungen erscheinen uns oft antiquiert oder werden zumindest deutlich weniger allgemeingültig gelebt und vermittelt, als noch vor fünfzig Jahren. Dennoch hat das, was sich dahinter verbirgt weiterhin Bedeutung. Der Begriff Ethik beschreibt die Summe aller Werte und Tugenden und ist vom Zeitgeist abhängig.

Ob uns ein Mensch sympathisch ist, wir ihn zum Freund haben wollen oder nicht, hat viel damit zu tun, ob uns dieselben Werte wichtig sind. Wir wissen und spüren genau, was wir an einem anderen Menschen akzeptieren können und wollen und was nicht. Die Wichtigkeit der verschiedenen Werte ist heute eher eine persönliche Sache und wird nicht mehr so starr von Gesellschaft und Politik vorgegeben wie früher, dennoch sind genau diese Werte es, die uns andere Menschen be-werten lassen.

Mit den alten Werten Disziplin, Pünktlichkeit, Tapferkeit, Gehorsam tun wir uns schwer. Sie sind für uns mit übertriebener Anpassung und Obrigkeitshörigkeit verknüpft und vor allem durch die Zeit bis zum Ende des 2. Weltkrieges, aber auch die Zeit der 50er Jahre mit der Notwendigkeit des stark Disziplin fordernden Wiederaufbaus, deutlich negativ besetzt.

Es wichtig, für sich selbst als Eltern Werte zu formulieren, um klar zu sehen, wo man eigentlich hin will. Was sind die für uns wichtigen Ideale? Selbstbewusstsein, Hilfsbereitschaft, Zivilcourage, Willensstärke, respektvoller Umgang und Taktgefühl, Höflichkeit, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz, Ehrlichkeit , Offenheit, Kreativität… Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen.

Aus der eigenen Historie heraus, kombiniert mit der individuellen Persönlichkeitsstruktur der Eltern sind die Schwerpunkte sehr unterschiedlich.

Wurden sie von den Eltern verinnerlicht, leben diese nach ihnen. Die jeweiligen Werte werden voneinander, von den eigenen Kindern und innerhalb anderer Beziehungen ausagiert.

Werte, die dem Kind anerzogen werden sollen ohne das seine Vorbilder sie selber leben, lassen sich schwierig vermitteln. Eltern, die ihrem Kind z.B. Bescheidenheit als Wert vermitteln möchten, werden damit nicht erfolgreich sein, wenn sie sich selbst mit Markenkleidung ausstatten, in edlen Hotels Urlaub machen und teure Weine trinken.

Genauso lässt sich der Wert eines respektvollen Umgangs am besten durch die Beziehung der Eltern zueinander, zu den Kindern, Freunden und Mitmenschen im Allgemeinen vermitteln, indem diese anderen Achtung und Toleranz entgegenbringen.

Wir sind nur dann authentisch, wenn wir die Maßgaben, die wir unseren Kindern vermitteln wollen auch selber leben.

Wichtig ist neben dem Versuch, bestimmte Werte zu leben jedoch auch, sich selbst und vor allem den Kindern Unvollkommenheit zuzugestehen und diese wohlwollend zu akzeptieren.


 
 
 

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