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Kinder brauchen Kultur

  • Autorenbild: Dr. Jutta Weber
    Dr. Jutta Weber
  • 24. Jan. 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 26. Jan. 2023



Was ist dran an dieser These?

Was ist eigentlich Kultur?

Kultur wird definiert als die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft (Oxford Languages Wörterbuch)

Es geht bei dem Thema Kultur also 1. um das Erleben geistiger, künstlerischer und gestaltender Produkte anderer und 2. um das Thema Gemeinschaft.

Kinder haben von klein auf eine große Affinität zu Geschichten. Sie lieben Märchen, Kinderlieder, Kinderbücher, deren Themen sie entweder betreffen, sodass sie sich in ihnen wiederfinden oder die sie über das eigene Erleben hinausführen. Deren Verlauf und vor allem auch deren Ausgang bzw. Ende wird Teil der kindlichen Welt, des kindlichen Denkens. Kinder leben sehr phantasievoll. Was in Geschichten passiert, kann auch in ihrem eigenen Leben Wirklichkeit werden. Über den Horizont der Familie, Freunde, Lehrpersonen hinaus werden Erfahrungen vermittelt, die die Wertvorstellungen, Ziele, Möglichkeiten mit denen ein Kind lebt mitprägen.

Bildung ist Wissen, aber auch Wissensvermittlung. Von Klein auf stellen daher Kulturgüter einen wichtigen Teil von Bildung dar.

In Büchern, im Theater, in Museen und Konzerten vermitteln andere Menschen ihre individuellen Eindrücke von ihrem Blick auf die Welt. Dies geschieht durch die jeweiligen, sehr unterschiedlichen Ausdrucksformen Malen, Zeichnen, Gestalten, Tanzen, Schauspielern, Schreiben. Durch diese Ausdrucksformen wird der Blick von Kindern und Jugendlichen auf die Welt erweitert. Es ist eine wichtige Ergänzung zu dem, was ihm im Elternhaus und in der Schule an Prägung zuteilwird.

Durch diese Bereicherung wird die Persönlichkeitsentwicklung gestärkt. Das Kind der/die Jugendliche erhält zusätzlichen Input, kann mehr von außen Erfahrenes mit den eigenen inneren Bedürfnissen abgleichen.

Außerdem wird die Fähigkeit verbessert, sich in das Denken und Fühlen anderer Hineinzuversetzen. Kultur fördert Toleranz für anders Agierende, anders Denkende, für andere Traditionen und Gebräuche. Sie erweitert den Blickwinkel.

Viele Aussagen sind in darstellenden Künsten nicht direkt greifbar, aber Kinder und Jugendliche haben, mehr als Erwachsene die Fähigkeit, sich auf Atmosphären einzulassen und damit zum faktisch Gesagten, Gespielten, Gemalten quasi zwischen den Zeilen zu lesen. Ihre Erfahrung können sie dann entweder als für sie uninteressant fallen lassen oder als auch sie betreffend erkennen und vielleicht sogar als bereichernd empfinden.

Je mehr solcher Erfahrungen mit Kultur man machen kann, je mehr also die eigene Erlebniswelt um die künstlerische Darstellung der Erlebniswelt anderer erweitert werden kann, um so einfacher ist es, ein emanzipierter Teil einer Gesellschaft sein zu können.

Kultur ermöglicht es unseren Kindern, eigene Wertvorstellungen zu entwickeln und sich sicherer in der Welt zu verankern.

Kultur schafft eigene, elternunabhängige Erfahrungen und ist damit auch ein wesentlicher Faktor hin zur Selbstständigkeitsentwicklung.




Neben diesen individuellen Erfahrungen geht es zusätzlich um kollektives Erleben.

Dabei sind die Konstellationen, im Gegensatz zu Familie, Freundeskreis und Schule nicht fix, sondern veränderlich.

Die Erfahrung bleibt individuell, wird aber im Kollektiv erlebt.

Dies fördert Austausch, Diskussion, Diskurs und Konsens. Die Begabung, ein Gegenüber mit einem anderen Standpunkt zu akzeptieren, eigene Argumente vorzubringen und zu vertreten, einen Konflikt aggressionsfrei oder -arm zu führen, kann durch den Austausch über kulturelle Erfahrungen trainiert werden. In der Kultur ist wenig Fakt und vieles persönlicher Eindruck. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Faktoren kann gar nicht früh genug gelernt werden. Ein Theaterstück ist nicht objektiv schlecht, wenn es einem nicht gefällt. Das ist eine wichtige Lektion.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Kultur Spiegel einer Gesellschaft sein kann. Aktuelle Themen, wie z.B. Emanzipation, Genderfragen, Antirassismus, Integration etc., werden in anderer Form als durch bloße Wissensvermittlung mitgeteilt und sichtbar gemacht.

Jugendlichen wird erleichtert, sich zu diesen Fragen zu positionieren.

Theater, Konzerte, Ausstellungen laden uns ein, uns mit allen Sinnen intensiv einzulassen. Es gibt keine Ablenkung, keine Pausentaste, um eben etwas zu essen zu holen.

Auch diese Einlassung (ohne Handy!) ist wichtig. Wir leben Multitasking. Kultur ist für einen umschriebenen Zeitraum nur das eine. Sie ist eine Entscheidung hin zu genau dem Stück oder den Bildern und weg von allen anderen, gleichzeitigen Zugriffen auf uns. Weg von (vermeintlich wichtigen) anderen inneren Bedürfnissen und auch vom Zugriff durch andere Menschen.

Kultur nimmt uns und unsere Kinder kurz aus der Zeit, aus dem Alltag. Man geht an einen dafür vorgesehenen, meist angenehmen Ort, setzt sich oder schlendert herum und hört oder sieht, was jemand zu sagen, zu zeigen, zu spielen hat.

Die daraus gewonnenen Erfahrungen sind, wenn auch in unterschiedlichem Maße, prägend und bereichernd.

Die Coronakrise hat, neben vielem anderen, die kulturellen Erfahrungen gerade junger Menschen deutlich reduziert. Dies ist dramatisch für die Kulturschaffenden, aber auch für unsere Kinder. Wir als Eltern sollten vieles daransetzen, unsere Kinder mitzunehmen zu Theater, Konzerten und Museen, Besuche von Schulklassen dorthin anzuregen und letztlich den Jugendlichen eigenständige Besuche vorschlagen.

Kulturelle Erfahrungen sind nicht ersetzbar.


 
 
 

1 Comment


offeneschublade
Jan 24, 2023

Im Studium lernte ich viel über das ästhetische Erleben von Kindern. Das Wissen darüber hatte ich vergessen - bis gerade. Ästhetik auf diese Art mit dem kulturellen Aspekt zu verknüpfen, wirkt inspirierend auf mich. Vielen Dank für Ihren motivierenden Beitrag!

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Beitrag: Blog2 Post

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