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Kinder brauchen Natur

  • Autorenbild: Dr. Jutta Weber
    Dr. Jutta Weber
  • 19. Juli 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Aug. 2024


 Den meisten von uns tut es gut, Zeit draußen zu verbringen, durch einen Wald oder Felder zu spazieren, sich in der Natur zu bewegen. Weit zu schauen, den Wind zu spüren, die Sonne auf der Haut, den Duft von Regen auf Waldwegen zu riechen, blühende Rapsfelder zu betrachten oder Getreidehalme, die sich im Wind wiegen, ist für uns Menschen wohltuend, erdend und entschleunigend.

Für Kinder, für die so vieles neu, wundervoll und spannend ist, bietet die Natur einen unendlichen Erfahrungsraum.

Kinder bewegen sich heutzutage kaum noch draußen und wenn, dann viel

zu selten frei und ohne Überwachung.

Die oft wenige Freizeit wird zu großen Teilen drinnen verbracht- mit der Möglichkeit des Zugriffs und der Kontrolle der erziehenden Erwachsenen.

Sich selbstbestimmt draußen zu bewegen, mit einem für das Kind attraktiven Aktionsradius, ist eine Seltenheit geworden.

Viele Kinder werden bis ins Erwachsenenalter auf Schritt und Tritt von ihren Eltern über Handy oder Smartwatch geortet.

Die Natur und das freie Bewegen in ihr sind jedoch für die geistige, emotionale und körperliche Entwicklung von Kindern essentiell.

Die Natur ist aus sich selbst heraus entstanden. Die Erfahrungen mit ihr sind unmittelbar, nicht von Menschen gemacht- natürlich eben.

Welche Erfahrungen ein Kind in der Natur macht, bzw. welche es vertieft, bestimmt das Kind im besten Falle selber.

Natürlich sollte ein Aktionsradius abgemacht werden, aber in diesem sollten das Kind und seine Freund:innen sich selbstbestimmt bewegen dürfen.

Also raus in den Park, auf den Spielplatz, auf die Wiesen im Umkreis des Zuhauses.

Ab dem Schulalter können Kinder ohne betreuende Erwachsene draußen spielen.

Der Kontakt zu Pflanzen und Tieren fördert Bindungsfähigkeit und Empathie, macht Zusammenhänge bewusst, bringt uns die Natur näher.

Sich einen Ameisenhaufen anzusehen oder auch nur das Abmühen einer einzelnen Ameise mit einem Objekt, das mehrfach größer ist als sie selbst, macht etwas mit dem beobachtenden Kind. Es kann sich mit dem beobachteten Wesen identifizieren.

Natur fördert Kreativität und Lebensfreude. Die Autonomie zu haben, in ihr umherzuschweifen, fördert neben vielem anderen auch das Selbstvertrauen. Lösungen müssen gefunden werden, sich Wege gemerkt, Risiken eingeschätzt.

Das Kind wird dem Unvorhersehbaren ausgesetzt.

Das kommt in unserem Leben und vor allem im Leben unserer Kinder oft viel zu kurz. In der Natur treten Dinge überraschend ins Blickfeld, das Kind lässt sich durch seine eigenen Interessen leiten. Es kann sich mit den Dingen näher befassen, bzw. intensiver auseinandersetzen, die es gerade besonders fesseln.

Was hält Eltern davon ab, ihre Kinder mehr Zeit draußen verbringen zu lassen?

Die Verantwortung, die Eltern für das Wohl der Kinder empfinden ist heute mehr als früher allumfassend.

Im Kinderzimmer kann einfach weniger passieren als draußen. Diese Ängste sind verständlich, aber der Preis für diese umfassende Fürsorge ist hoch.

Außerdem scheint der Erfolg der Kinder in Schule und Gesellschaft direkt mit dem gut erfüllten Erziehungsauftrag der Eltern zu korrelieren. Wir Eltern sind also intensiv mit der Optimierung unseres Nachwuchses beschäftigt. Natur scheint entbehrlich, zusätzlicher Englisch- und Cellounterricht, Nachhilfe und Ballettstunden nicht.



 

Dabei gilt bezogen auf das Ziel eines selbstbestimmten, zufriedenen, individuellen Lebensentwurfs eindeutig: weniger Verplanung ist mehr. Kinder brauchen Raum und Zeit, sich frei zu bewegen, eigene Ideen umzusetzen, die Natur zu erkunden und in Teilen Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Freie, selbstbestimmte Zeit kann in der Natur Elan und Lebensfreude steigern.

Die psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen wie Essstörungen, ADHS und Depressionen haben deutlich zugenommen.

In der Praxis zeigen sich immer mehr Jugendliche mit klassischen Symptomen eines Burnout (Überforderung, permanente Müdigkeit, innere Unruhe, Kopfschmerzen oder Verspannungen im Nacken-oder Rückenbereich).

Es gibt also gute Gründe, über Entlastungen, bzw. eine andere Alltagsstruktur nachzudenken.

Schon kleine Kinder haben eine große Affinität zu Tieren und Pflanzen. Sie hocken in einer Wiese und beobachten Käfer und Gänseblümchen, sie wollen Tiernamen kennen, ihre Laute nachahmen und sie berühren, sie lieben es, in Pfützen zu matschen oder überhaupt im und am Wasser zu sein und Regenwürmer und andere Insekten einzusammeln.

Sie spielen Tiere nach und ordnen ihnen bestimmte Attribute zu: wilder Löwe, zartes Kätzchen, starker Bär. Durch die Spiele fühlen sie sich in diese Emotionen hinein und bekommen eine größere emotionale Vielfalt (nach Edward O. Wilson).

Eine auf ein nasses Stück Watte gelegte Bohne keimt zügig auf und aus ihr erwächst eine kleine Bohnenpflanze. Kinder lieben dieses Naturschauspiel und kümmern sich gerne um die selbstgezüchtete Pflanze.

Der Kontakt zu Pflanzen und Tieren fördert die emotionale Ausdrucksmöglichkeit, Empathie, Entspannung und Lebensenergie (A. Weber).

Um Kindern ihre Sensibilität für die Natur zu erhalten, müssste sie auch im Schulalltag eine größere Rolle spielen. Es ist ein deutlich einprägsameres, sinnlicheres Erlebnis, sich in der Natur einen Maiskolben zu pflücken und ihn sich genau anzusehen: oben an jedem Kolben sieht man den aus vielen einzelnen Fäden bestehenden Bart. Jeder einzelne Faden dieses Bartes führt zu genau einem Maiskorn. Mit dem Bart werden die umherwehenden Samen anderer Maispflanzen eingefangen und über die in den Fäden befindlichen Kanäle zu dem Maiskorn, dem Fruchtknoten, hingeführt.

Wenn man vorsichtig die einzelnen Blattschichten eines Maiskolbens abzieht, erkennt man die faszinierende Anatomie- und vergisst sie nie wieder.

Die haptische und visuelle Erfahrung und das Sein in der Natur sind um ein Vielfaches wirkungsvoller und zudem emotional deutlich bereichernder, als sich einen solchen Maiskolben in einem Lehrbuch anzuschauen.

Außerdem ist davon auszugehen, dass sich die Klasse, die sich im Biounterricht in der Natur bewegt und diese direkte, praktische Erfahrung gemacht hat im darauffolgenden Matheunterricht deutlich besser auf rein theoretische, abstrakte Lerninhalte einlassen kann.

Der US- amerikanische Wildnis- Lehrer Jon Young will bei Kindern die „Vorstellungskraft der Sinne“ fördern. Nach seinen Erkenntnissen steigern das genaue Hinsehen, Fühlen, Riechen und Hinhören in der Natur nachweislich die Fähigkeit zu Kreativität, komplexem Denken, sowie Zufriedenheit, Teamfähigkeit, Mitgefühl und Sinnhaftigkeit.

„Verwildern“ macht glücklich.

Kinder brauchen die Möglichkeit sich in der Natur frei und selbstbestimmt zu bewegen und ihre ganz eigenen, sinnlichen Erfahrungen zu machen. Es macht sie zu glücklicheren, gesünderen, freieren Menschen.

Mit der Natur haben sie lebenslang ein Werkzeug, sich in schwierigen Lebensphasen und Krisen Gutes zu tun und Erleichterung zu verschaffen.

Wir alle haben heute mehr denn je eine große, große Verantwortung für die Natur, für unsere Pflanzen, Gewässer und frei lebenden Tiere.

Wir brauchen ein respektvolles Miteinander. Uns sollte von klein auf bewusst sein, dass Natur etwas ist, mit dem wir achtsam und bewusst umgehen sollten. Dafür müssen wir in selbstverständlichem Kontakt mit ihr sein. Das genaue Hinschauen und Beobachten des Kleinkindes soll ihm erhalten bleiben und gefördert werden. Wir müssen uns unserer Umwelt auch im positiven Sinne bewusst sein, in ihr leben, um sie unbedingt erhalten zu wollen.

Wir wollen schützen, was wir lieben.



 

 

 

 

 
 
 

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