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Kleinkindzeit/ Vorschulzeit Teil 2- große Sprünge, viele Fragen

  • Autorenbild: Dr. Jutta Weber
    Dr. Jutta Weber
  • 17. Juli 2022
  • 9 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Juni 2024

Elternfragen zu den Themen Wutanfälle, Schlafen, Trennung von den Eltern, Geschwistereifersucht, Streit mit Gleichaltrigen


Mein Kind (2 Jahre) hat fast jeden Tag einen Wutanfall. Es schreit, wenn es seinen Willen nicht bekommt und lässt sich dann oft schlecht beruhigen.


Kinder lernen durch ihre extreme Neugier. Sie wollen alles ausprobieren, wenden sich allem Neuen mit viel Interesse zu. Für diesen Entdeckerdrang gehen sie viele Risiken ein, weshalb man ab einem bestimmten Alter stets ein Auge auf sie haben muss.

In dem Alter ab ca. eineinhalb Jahren beginnt, sehr ausgeprägt der Wunsch, Dinge allein zu machen, was das Kind ab diesem Alter auch häufig äußert. Addiert zu dem Wissens- und Erkundigungsdrang, ergibt dies den großen Wunsch, sich recht eigenständig in der Welt zu bewegen. Da ein Kleinkind recht risikofreudig ist, lässt es sich auch nicht von einem Vorhaben abhalten, wenn es riskiert, eventuell Ärger von den Eltern zu bekommen.

Wäre es leicht, Kinder durch frustrierende Erlebnisse von ihrem Forschungsdrang abzuhalten, würden sie sich deutlich schlechter entwickeln und nicht immer wieder Dinge selber versuchen, die die Erwachsenen um sie herum besser können. Sie würden nach dem ersten verschütteten Glas traurig den Versuch aufgeben, sich selbst ein zu schenken oder alleine aus einem Glas zu trinken.

Kinder brauchen ihren ausgeprägten eigenen Willen, um in ihrer Entwicklung voranzuschreiten und durch erneutes Versuchen nach Misserfolgen irgendwann erfolgreich zu sein.

Jede Begrenzung jedes Verbot empfinden sie als frustrierend, da es sich ihrem natürlichen Bedürfnis nach Autonomie entgegenstellt.

Impulse können mit 2 bis 3 Jahren nur begrenzt kontrolliert werden. Das Kind entwickelt einen Impuls und folgt diesem. Es lernt erst nach und nach seine Impulse eventuell zu kontrollieren. Z.B. ist win erster Impuls, sich einen Keks vom Tisch zu nehmen, die Mutter nimmt ihn weg mit der Begründung, dass das Kind genug Kekse hat und es gleich Mittagessen gibt. Das Kind ist frustriert. Es folgt der zweite Impuls als Reaktion auf die Begrenzung durch die Mutter: das Kind wirft sich auf den Boden.

Im späteren Leben wird das Kind lernen, dass es keine adäquate Reaktion ist, sich in frustrierenden Situationen auf den Boden zu werfen, aber so weit ist das Kleinkind noch nicht. Seine Reaktion ist daher verständlich. Man sollte zum Ausdruck bringen, dass sie nicht angemessen ist, aber weitestgehend Gelassenheit bewahren.

Ein weiterer Grund für Wutanfälle des Kleinkindes ist die fehlende Möglichkeit, Frustrationen differenziert verbal zu äußern. Mit besserem Wortschatz, besseren Ausdrucksmöglichkeiten, reduziert sich die Anzahl unkontrollierter Wutanfälle.

Neben allen Freiheiten, allem Sich- Ausprobieren- Dürfen brauchen Kleinkinder zu ihrem eigenen Schutz, z.B. vor Verletzungen, aber auch, um sich in soziale Strukturen einfügen zu können, Begrenzungen.

Das rechte Maß zwischen Freiheiten und Begrenzungen zu finden ist nicht leicht. In jedem Fall sollte jedes „Nein“ überdacht werden. Die von den Eltern als wichtig erachteten Grenzen sollten dann aber auch eingehalten werden, sodass das Kind darauf vertrauen kann, dass die Eltern ihre Entscheidungen bewusst und überzeugt getroffen haben.



Unser Kind will nicht mehr in seinem Bett schlafen und kommt jede Nacht zu uns.

Wie bei so vielem ist es dabei entscheidend, wie die Eltern sich mit der Situation fühlen. Schlafen sie im Grunde auch besser, wenn das Kind bei ihnen liegt, gibt es keinen Grund, das Kind nicht bei sich schlafen zu lassen. Schläft aber ein Elternteil mit dem Kind im Bett schlecht, sollte man das Kind in Ruhe zurück in sein Bett bringen, etwas bei ihm bleiben, evtl. ein Nachtlicht anmachen. Wenn man dies konsequent einige Nächte so handhabt, wird es dem Kind möglich sein, im eigenen Bett durchzuschlafen und nicht in den Leichtschlafphasen aufzuwachen, um dann ins Bett der Eltern zu kommen. Wichtig dabei sind Ruhe und Konsequenz, aber auch Verständnis für die eventuellen Ängste des Kindes und das Bedürfnis nach Nähe.

Schon in der Kleinkindzeit träumt das Kind in Bildern und kann auch durchaus angstvoll nach unangenehmen Träumen erwachen. Das Kind sollte spüren, dass es in solchen Situationen nicht alleine ist. Wenn es nicht ins Elternbett geholt werden soll, sollte es mit Geduld im eigenen Bett getröstet werden.

Die Nachtruhe ist in vielen Familien mit kleinen Kindern ein großes Thema. Für unruhige Nächte gibt es viele Gründe, die in diesem Blog nicht erschöpfend behandelt werden können.

Einige Grundregeln für einen ruhigen Nachtschlaf:

Die meisten Kinder benötigen bis ungefähr zum vierten, mindestens aber bis zum 3. Geburtstag einen Mittagsschlaf. Dieser verhindert eine starke Übermüdung am Nachmittag und lässt das Kind damit deutlich entspannter am Abend ins Bett gehen.

Vor dem Schlafengehen sollte ein kleines, individuelles Ritual durchgeführt werden (z.B. Baden, Vorlesen, Singen, Reden über den Tag). Dadurch haben Eltern und Kind eine verlässliche gemeinsame Zeit, die für das Kind den Übergang vom aktiven Tag in die ruhige Nacht erleichtert.

Direkt vor dem Schlafengehen sollte das Kind am besten kein Fernsehen, da es sich noch deutlich länger als Erwachsene mit den Szenen und Bildern auseinandersetzt, wobei gegen eine kurze, reizarme Sendung, wie z.B. „das Sandmännchen“, ab dem 3. Lebensjahr nichts einzuwenden ist.

Der Schlafplatz sollte kühl (keine Heizung!), dunkel, ruhig und gut durchlüftet sein.

Das Kind sollte Gewissheit haben, dass notfalls jederzeit jemand da ist und auf seine Bedürfnisse reagiert.

Es sollte wissen, dass es aber andererseits auch wichtig ist, nicht ständig aufzustehen. Schon früh können Kinder verstehen, dass auch Eltern und Geschwister eine ruhige Nacht benötigen und nur geweckt werden sollten, wenn es ein Problem gibt.


Seid unser zweites Kind geboren wurde, hat sich unser älteres sehr verändert. Ist das normal?

Das Thema Geschwister ist ein sehr großes. Auch wenn das ältere Kind sehr in die Schwangerschaft des Geschwisterchens mit einbezogen wird, ist es meist erst skeptisch gegenüber dem neuen Familienmitglied. Die Eltern empfangen das Baby liebevoll und widmen ihm viel Zeit, während das ältere Kind mit dem Baby erst einmal gar keine Emotionen verbindet. Zudem beginnt das Ganze meist mit der oft ersten längeren Trennung von der Mutter, wenn diese zur Geburt ins Krankenhaus geht. Erst ist die Mutter also ganz verschwunden und dann kommt sie mit einem Baby, dass sie tatsächlich zu lieben scheint zurück. Dieses soll zu allem Überfluss für immer bleiben.

Aus Sicht des älteren Kindes ist es eher ein Wunder, wenn dieses den Bruder oder die Schwester von Anfang an akzeptiert. Es erfordert viel Einfühlungsvermögen in das Empfinden des oder der Älteren, ihn oder sie diese Zeit einigermaßen positiv empfinden zu lassen. Die Geschwisterliebe entsteht erst später.

Geschwister sind eigentlich bemüht, eine Nische zu finden, die in der Familie noch nicht besetzt ist um damit die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern zu erlangen.

Ist jedoch ein Baby im Haushalt, bemerkt der große Bruder/die große Schwester, dass die Interaktion zwischen Mutter und Baby vor allem beim Füttern und Wickeln sehr innig und liebevoll ist, sodass das ältere Kind nicht selten auch wieder gefüttert und gewickelt werden möchte, also regrediert, um so die Mutter auch so nah und liebevoll an sich zu binden.

Das wiederum stößt bei den Eltern oft auf Widerstand. Es wird beim älteren Kind an die Vernunft appelliert oder vielleicht sogar mit ihm geschimpft.

Dies empfindet dieses als ungerecht: was beim Baby zu Zuneigung führt, führt bei ihm zu Ärger. Durch solche Erfahrungen wird das Baby dem älteren Kind immer suspekter. Für das größere Kind wäre es deutlich angenehmer, wenn die Eltern Verständnis für sein Verhalten aufbringen und es humorvoll sehen würden. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass ein älteres Kind auch noch mal aus der Flasche trinkt.

Je mehr es mit in die Versorgung des Babys einbezogen und je mehr seine Wichtigkeit im Familienkontext herausgestellt wird, desto schneller findet es sich in die Rolle des Älteren ein.

Die jüngeren Geschwister reagieren oft schon sehr früh positiv auf die Anwesenheit des großen Bruders oder der großen Schwester. Oft wird das ältere Kind stets breit vom Säugling angelächelt. Ab da beginnt bei diesem zumeist, das Eis zu schmelzen und das jüngere Kind erhält einen wichtigen, wenn auch nicht immer ganz einfachen Platz in seinem Leben.


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Unsere Töchter haben nur 18 Monate Altersabstand. Ich mache mir oft Vorwürfe, dass ich dem jüngeren Kind nicht so gerecht werde. Wenn ich die Ältere zum Beispiel hinlege, muss ich die kleinere auch schon einmal ein paar Minuten weinen lassen. So etwas belastet mich.

Ich glaube, dass Kinder mit solchen kleinen, situationsbedingten Frustrationen umgehen können. Wenn die Familienatmosphäre zugewandt und wohlwollend ist, nehmen sie keinen Schaden, wenn sie auch einmal etwas durchstehen müssen, das sich nicht vermeiden lässt. In oben genannter Situation würde man sich, sobald Zeit ist und das größere Kind schläft, dem jüngeren zuwenden, es beruhigen und mit ihm in Ruhe darüber reden, warum man nicht sofort kommen konnte, auch, wenn das Kind noch sehr klein ist. Damit lassen sich solche Situationen auflösen.


Unser Kind ist drei Jahre alt und kann jetzt endlich in den Kindergarten. Wenn ich es abgeben will, schreit und weint es. Ich fühle mich dabei sehr schlecht.

Die Schwierigkeiten, des zwei- bis dreijährigen Kindes sich auf Anhieb problemlos von der Bezugsperson zu lösen ist normal und spricht sogar für eine sichere Bindung.

Das sicher gebundene Kind weint bei der Trennung, fühlt sich dann aber in seinem Umfeld wohl, wenn ihm dort wohlwollend und zugewandt begegnet wird und weint zu Beginn der Kindergartenzeit oft noch einmal beim Abgeholt- Werden durch Vater oder Mutter.

Nach einigen Tagen, manchmal auch Wochen fällt dem Kind die Trennung leichter, da es darauf zu vertrauen gelernt hat, dass es immer wieder von den Eltern abgeholt wird. Ist ihm am Anfang der Sinn davon, bei völlig Fremden bleiben zu müssen überhaupt nicht klar, so erfährt es dann durch Vertrauen zu den Erzieherinnen und erste , zarte Freundschaften zu den anderen Kindern, dass es auch schöne Seiten hat, den Kindergarten zu besuchen. Manche Kinder gehen nie wirklich gerne in den Kindergarten. Hat man die Möglichkeit, so ist es sicher nicht verkehrt, dem Kind ab und an einen „Urlaubstag“ einzuräumen. Wenn sich das Kind jedoch dauerhaft weigert zu gehen, Ängste entwickelt oder die Trennung am Morgen sehr lange problematisch bleibt, sollte mit den Erzieherinnen an einer Lösung des Problems gearbeitet und nach eventuellen Gründen geforscht werden. In jedem Fall ist es für ein kleines Kind eine große Leistung, sich tagtäglich in eine Gruppe von meist über 20 Kindern einzufügen.



Wenn unser Kind bei uns mit Freundenspielt, gibt es öfter Streit. Wann muss ich

eingreifen?

Schon recht früh sind Kinder in der Lage, ihre Konflikte selbstständig auszutragen. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Kind bei sich zuhause spielt oder bei einem anderen Kind zu Besuch ist. Gerade Kinder, die sich zu Hause sehr wohl fühlen, spüren oft das „Heimrecht“ ganz intensiv. Es ist sicher nicht schlecht bei kleinen Kindern darauf zu achten, dass das Besucherkind sich wohl fühlt. Natürlich sollte man kleine Kinder bis etwa zum 5. Lebensjahr nicht völlig unbeaufsichtigt lassen. Wirklich einschreiten muss man aber nur, wenn die Kinder untereinander keine eigene Lösung eines Konfliktes zu finden scheinen. Versuchen sollten sie es erst einmal alleine. Wie vieles andere klappt auch das gemeinsame Spiel vor allem dann gut, wenn die Freunde das Gefühl haben, es selbst gestalten zu können. Aus Konflikten lernen sie, Konfliktlösung stärkt sie und ist eine wichtige Erfahrung, die man ihnen nicht durch Einschreiten rauben sollte.


Mein 3-jähriges Kind kaut Fingernägel. Was können wir tun?

Am besten ist es, Ruhe zu bewahren.

Das Nägelkauen stellt ein Ventil zum Abbau innerer Anspannung dar und kann dadurch Stress abbauen. Oft tritt es familiär gehäuft auf, d.h. auch Mutter oder Vater des Kindes haben als Kinder Nägel gekaut.

Man sollte dem Kind viel Aufmerksamkeit und Unterstützung zukommen zu lassen und sich Zeit für Gespräche nehmen. Das heißt, das man den Hintergrund für Gespräche bereitstellen sollte, damit das Kind bei Bedarf die Möglichkeit hat, sich auszutauschen.

Auf das Nägelkauen an sich sollte man so wenig wie möglich eingehen und es schon gar nicht verbieten, d dadurch eine stärkere Fixierung auf das Kauen erreicht wird. Sobald wir daran erinnert werden, an eine bestimmte Sache nicht zu denken, ist sie in unserem Kopf umso präsenter.

Das Problem schwindet meist, sobald das Kind in eine entspanntere Lebensphase eintritt, in der es sich ruhiger fühlt.

Ist dies nicht so, ist es sicher ratsam, sich individuell vom Kinderarzt beraten zu lassen.


Unser 4-jähriger Sohn ist oft sehr unselbstständig und fordert vehement Hilfe auch bei Dingen ein, die er eigentlich alleine kann. Wir geraten dabei ständig aneinander. Wie können wir das ändern?

Es gibt einige Themen im Zusammenleben mit Kindern, die immer wieder zu Konflikten führen und bei denen sich immer wieder ähnliche Szenen mit ähnlichen Verhaltensmustern wiederholen.

In der oben geschilderten Situation hat das Kind die Erfahrung gemacht, dass es die Eltern zu sich heranziehen und in einen Konflikt verweben kann, wenn es sich weigert, Dinge selbstständig zu erledigen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die sich wiederholenden Streitigkeiten zu verhindern:

Es ist sicher sinnvoll zu hinterfragen, ob das Kind vorübergehend tatsächlich mehr Unterstützung braucht und sich eventuell in einer anstrengenden Lebensphase befindet. Man macht nichts falsch, wenn man ihm dann für einen gewissen Zeitraum die Hilfe gewährt.

Solche Konflikte haben einen tiefer liegenden Grund. Vielleicht hat das Kind auch einen anderen Zeitrhythmus und würde schon das Geforderte alleine erledigen, aber nicht dann oder so schnell, wie wir es fordern oder wir holen es mit unseren Aufforderungen heraus aus einem ihm wichtigen Spiel.

Natürlich kann man sich nicht immer nach dem Lebensrhythmus des Kindes richten. Ist man in Eile und das Kind will sich nicht alleine die Schuhe anziehen, sollte man dies entweder schnell selbst erledigen oder das Kind entspannt, nicht wütend auf den Arm nehmen und ohne Schuhe ins Auto tragen.

Es lohnt sich nicht sich auf einen Streit bzw. Machtkampf einzulassen und bringt keinerlei Vorteil.

Auch hier ist Gelassenheit der Weg, der zum Ziel führt.

Grundsätzlich sollten Situationen, die gut laufen viel Aufmerksamkeit bekommen, die täglichen kleinen Machtkämpfe sind für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes wichtig, sollten uns aber nicht zu sehr aus dem Konzept bringen.

Dies gelingt je nach eigener Verfassung mehr oder weniger gut, sollte aber ein Basisgedanke im Umgang mit unseren Kindern sein.

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