top of page

Scheidungskinder- Trennung ohne Trauma

  • Autorenbild: Dr. Jutta Weber
    Dr. Jutta Weber
  • 22. Apr. 2024
  • 6 Min. Lesezeit

Wie man es schaffen kann, sich als Paar zu trennen und dennoch zugewandte Eltern und Familie zu bleiben

 

Es gibt viele Dinge im Leben, die wir uns anders vorgestellt haben, als sie dann tatsächlich verlaufen.

Je höher unsere Erwartungen im Vorfeld waren, desto größer ist die Verzweiflung, die Trauer, die Enttäuschung, wenn diese der Realität nicht standhalten.

In besonderem Maße trifft dies auf Scheidungen oder Trennungen zu, noch einmal mehr, dann, wenn es man mit gemeinsamen Kindern lebt.  Nach einschneidenden, verbindenden gemeinsamen Erfahrungen, wie Hochzeit und Geburten der Kinder, das Durchleben der Jahre mit diesen fällt es- auch, wenn man unglücklich ist- schwer, sich getrennte Wege vorzustellen. Eltern fragen sich, wie ihre Kinder eine Trennung verkraften können, ohne Schaden zu nehmen.

Wenn diese Entscheidung getroffen wurde, muss das jedoch nicht bedeuten, dass die betroffenen Kinder traumatisiert zurückbleiben.

 

Kaum ein Lebensbereich wird gesellschaftlich so idealisiert, wie die Familie.

Die Konstellation Vater, Mutter Kind(er) scheint das Ziel eines erfüllten Lebens zu sein- und da die biologische Uhr tickt, muss dieses Ideal- zumindest für Frauen- in einem sehr umschriebenen Zeitfenster erreicht werden.

Ob es der richtige Zeitpunkt ist und in welcher Form Beziehung und Familie gelebt wird, sollte unbedingt eine individuelle und persönliche Entscheidung sein.



ree

 

Es gibt sehr viele zufriedene Familien, wobei die Strukturen, in denen Familie gelebt wird mannigfaltig sind. Ob ein Kind mit Vater und Mutter, mit zwei Müttern oder zwei Vätern, mit von vornherein alleinerziehenden Elternteilen, mit mehreren Geschwistern, die unterschiedliche Väter oder Mütter haben ist dabei für die Lebenszufriedenheit unerheblich.

Es kommt nicht auf die Struktur der Familie an, nicht auf die Form, sondern auf den Inhalt:

-       sind die Eltern als Paar zufrieden, haben zu Zeit für sich, respektieren sich, hören sich zu?

-       hat das Kind Raum, sich frei und gleichzeitig behütet zu entwickeln, sind die Eltern zugewandt?

-       findet in der familiären Konstellation jeder seinen Platz und seinen Raum?

-       sind die Rahmenbedingungen (finanzielle Situation, Wohnraum, Freizeit) ausreichend?

Jedes Elternpaar, das sich trennt tut dies nicht leichtfertig. Beide hatten sich irgendwann dazu entschieden, eine Familie zu gründen und hatten das Ziel, ein gemeinsames Lebenskonzept zu entwickeln und zu leben. So fällt keine Trennung vom Himmel.

Die Gründe, warum Familie nicht funktioniert sind mannigfaltig:

Die Belastbarkeit jedes einzelnen ist unterschiedlich, ebenso die Möglichkeit, eigene Bedürfnisse einzufordern oder anzusprechen, bevor der Frust zu groß ist.

Gerade mit kleinen Kindern verändert sich das Leben grundlegend. Viele Paare verlieren sich durch die umfangreiche Organisation des Familienalltags, Schlafentzug, Kommunikationsmangel… aus den Augen. Man hat sich nichts mehr zu sagen, fühlt sich im Stich gelassen, missverstanden.

Wichtig ist es, auch schon in der Phase der vermehrten Konflikte das Gespräch mit den Kindern zu suchen und ihnen zu vermitteln, dass das Problem rein auf der Elternebene liegt. Die Eltern haben Konflikte, mit deren Ursache die Kinder nichts zu tun haben.

Auch, wenn das Zusammenleben nicht funktioniert ist eines zentral:

Eine Trennung bedeutet nicht, dass es kein gemeinsames Lebenskonzept mehr gibt.

Es ist anders, weiter, für die einzelnen Partner autonomer, aber gemeinsam Eltern bleibt man lebenslang, und was für die Funktionalität von Familien, die unter einem Dach leben gilt, gilt in gleichem Maße für die Funktionalität von Familien mit getrenntlebenden Eltern.

Die Position, mit der wir auf die neue Situation blicken ist maßgeblich für die Möglichkeit des Kindes bzw. der Kinder, sich gut in der neuen Situation einzurichten.

Auch wenn die Eltern getrennt sind, hat das Kind- und das sollte ihm ausdrücklich vermittelt werden- weiterhin eine Familie! Diese lebt anders, aber das muss erst einmal kein Nachteil sein. Ganz im Gegenteil: Eltern, die (auch getrennt lebend) mit ihrem Leben zufrieden sind, haben viel mehr Ressourcen, sich zugewandt und präsent um die Bedürfnisse ihrer Kinder zu kümmern als solche, die unglücklich zusammenleben.

Eine große Angst unserer Kinder ist es, einen Elternteil zu verlieren. Kinder sind von ihren betreuenden Erwachsenen abhängig. Sie sind auf ihre Zugewandtheit, ihre Liebe, die Versorgung durch sie angewiesen.

Das Wesentliche ist demnach, dass die Bezugspersonen auch nach der Trennung dem Kind erhalten bleiben. Dabei kommt es mehr als auf die reine Dauer der Kontakte auf die Zugewandtheit während der Kontakte an. Damit ist nicht gemeint, dass das Kind von nun an im ständigen Zentrum der Aufmerksamkeit stehen sollte. Das würde niemandem guttun. Aber das Kind sollte spüren, dass beide Elternteile sich weiterhin gerne in der Verantwortung sehen, mit ihm Zeit zu verbringen und sich um sein Wohlergehen zu kümmern.

Trennungen basieren auf ungelösten Konflikten. Diese waren Teil des gemeinsamen Familienlebens und bleiben in oft zugespitzter Form auch nach der Trennung erhalten.

Da das Kind nach der Trennung oft die einzige Verbindung zur Expartnerin bzw. zum Expartner darstellt, kommt es oft nahezu selbstverständlich dazu, dass das Kind mitten in diesen Konflikten steht. Damit es nicht zum Spielball der Kränkungen und Verletzungen, der Enttäuschungen und unterschiedlichen Positionen der Eltern wird, ist es ratsam, sich auch als getrenntes Paar entweder zu zweit oder mit Hilfe von außen weiterhin auszutauschen. Negative Gefühle, Vorwürfe etc. müssen einen Raum auf Erwachsenenebene haben, damit sie nicht beim Kind landen.

Anlaufstellen für solche Gespräche können gemeinsame Freunde oder auch offizielle Stellen, wie der Kinderschutzbund oder Familienberatungsdienste der Caritas sein.

Ein großes Problem für Kinder nach der Trennung kann sonst ein Loyalitätskonflikt sein. Das Kind spürt, dass von ihm eine Position, eine Entscheidung für bzw. gegen ein Elternteil verlangt wird, die es jedoch überfordert und vor eine nicht lösbare Aufgabe stellt.

Was kann die Chance einer Trennung sein? Eine Familie, deren Mitglieder nicht zufrieden sind ist vor allem für Kinder verunsichernd. Sie sehen sich oft als Grund für die schlechte Stimmung, für Traurigkeit und Wut von Mutter oder Vater. Gerade, wenn ihnen keine andere Erklärung gegeben wird, werden sie sich selbst als fehlerhaft und unzureichend empfinden- auch ohne lautstarke Streits. Kinder spüren Atmosphären sehr intensiv. Ist die Stimmung unterkühlt oder angespannt, bleibt ihnen das nicht verborgen.

Trennungen müssen, wenn die Positionen zu weit auseinander liegen und die Konflikte nicht auszuräumen sind, kein traumatisierendes Problem, sondern können auch eine Lösung sein.

Manche Paare funktionieren nach der Trennung als Eltern, aber auch in der Beziehung zueinander besser. Die Bedingungen werden oft klarer benannt, die Zuständigkeiten besser verteilt. Beide haben bestenfalls auch getrennt voneinander das Wohlergehen des Kindes im Sinn. Es ist klar, dass man das Leben mit dem Kind in seiner Betreuungszeit alleine regeln muss.

 

Es lohnt sich in jedem Fall, nach Lösungen zu suchen, die es der Familie erlauben, weiter zusammenzuleben. Wenn das klappt, macht es Vieles angenehmer und einfacher.

Wenn die Paarbeziehung jedoch gar nicht funktioniert, ist es oft besser sich zu trennen, als ausschließlich für die Kinder zusammenzubleiben.

Erstens, weil die Kinder wie bereits oben angesprochen unter der schlechten Familienatmosphäre leiden und ihnen ein freies, unbeschwertes Aufwachsen erschwert wird.

Zweitens, ist die Verantwortung, die man damit an die Kinder gibt, nämlich selber ein Unglück durchzustehen, um ihnen die Familie zu erhalten, viel zu groß. Die Schuld am Unglück der Eltern wird zu den Kindern hin verschoben.

 

Wenn man sich zu einer Trennung entschließt, ist dies meist ein Prozess.

Dieser sollte so wohlüberlegt und umsichtig wie möglich erfolgen. Auch, wenn die Entscheidungen bei den Eltern liegen, sollten die Kinder unbedingt von Anfang an mitgedacht werden:

-       in welchem Rahmen und in welcher Form werden sie informiert?

-       wie kann man ihnen so viel Gewohntes wie möglich erhalten?

-       wie soll der Umgang geregelt werden und wie der Kontakt in den Zeiten dazwischen?

 

Die Antworten auf diese Fragen sind nicht allgemeingültig. Der Umgang zum Beispiel hängt von vielen verschiedenen Faktoren, wie Alter der Kinder, Arbeits- und Wohnsituation der Elternsituation der Eltern ab.

Wenn es geht ist es für das Kind sicher hilfreich, wenn es in seiner gewohnten Umgebung wohnen bleiben und denselben Kindergarten bzw. dieselbe Schule weiter besuchen kann.

Auch die Art der Information ist altersabhängig. Immer sollte sie rechtzeitig erfolgen und immer sollte vermittelt werden, dass das Kind kein Grund für die Entscheidung ist und dass es weiterhin in gleicher Form von beiden Eltern geliebt wird.

Bevor einschneidende Entscheidungen getroffen werden, kann es- wie bereits oben angesprochen- hilfreich sein, mit vertrauten Personen oder Institutionen zu reden, die die Situation überblicken, aber weniger emotional auf sie schauen.

Auch, wenn vielleicht keiner weniger Betreuungszeit der Kinder haben möchte, ist zum Beispiel ein wochenweises Wechselmodell für Kleinkinder bis zum Schulalter eher nicht anzuraten.

Ein Schwerpunkt- Zuhause gibt in diesem Alter mehr Sicherheit.

Für größere Kinder wiederum ist es oft schön, mit beiden Elternteilen gleich viel Zeit zu verbringen. Sie sind dann mit einem Wechselmodell sehr zufrieden.

Eine Herausforderung stellen oft Geburtstage und Feiertage, Einschulungen, später auch Schulabschlüsse dar. Wie mit ihnen umgegangen wird, ist ebenfalls sehr individuell. Es ist wichtig nach Lösungen zu suchen, die das Kind/den Jugendlichen/die Jugendliche mitdenken bzw. sich an seinen besonderen Tagen nach ihr/ihm richten. Für manche Paare funktioniert es, die Tage gemeinsam zu verbringen, andere teilen sie auf.

 

Die Trennung oder Scheidung eines Elternpaares stellt für alle Beteiligten eine Herausforderung dar. Kinder sind auf einen behutsamen und bedachten Umgang in dieser Situation angewiesen. Sie wollen weiterhin eine Familie haben, was auch bei getrennt lebenden Eltern möglich ist. Kinder müssen spüren, dass beide Eltern weiterhin verlässliche Bezugspersonen bleiben. (Telefon-)kontakt sollte möglich sein, wenn das Kind ihn wünscht.

Kinder, die weiterhin von beiden Eltern wohlwollend mitbedacht werden, können mit einer Trennung umgehen.

Natürlich betrauern und beweinen Kinder oft, dass nicht mehr alle unter einem Dach leben. Das sollte ihnen zugestanden werden. Es ist normal und natürlich.

Die Situation ist für alle Seiten traurig, ein Verlust, eine Abweichung von dem, was man sich zu Beginn einer Ehe oder Lebensgemeinschaft erhofft hat.

Gut überlegt und mit Empathie lässt sich diese Krise und die daraus resultierende neue Lebensform jedoch in ein zufriedenes Kinderleben integrieren.

 
 
 
Beitrag: Blog2 Post

©2022 Parelax- entspannt mit Kindern leben. Erstellt mit Wix.com

bottom of page